Ganz schön eng in der Sporthalle

Von Thomas Breves

Die Hoffnungen der Eltern, ihre Kinder beim Gerätturnen des MTV Jever unterzubringen, treibt skurrile Blüten.

JEVER. Es ist laut in der Sporthalle des Mariengymnasiums. Überall ist Bewegung. Hier wird ein Handstand geübt, dort ein Flick-Flack, an anderer Stelle eine Hocke über den Sprungtisch. Mehr als 100 Kinder sind auf die drei Hallendrittel verteilt, zehn bis zwölf Übungsleiter geben Tipps oder Hilfestellung – es ist ganz normale Übungsstunde der Gerätturner des MTV Jever. Das ist Alltag. Heute jedoch wird geprobt. „Die Kinder haben sich eine Turnshow zu Weihnachten gewünscht“, sagt Jeanette Weigart. Sie ist nicht nur Übungsleiterin, sondern auch Fachvorstand beim MTV. Als sie 2012 das Amt antrat, gab es kein klassisches Gerätturnen mehr in der Marienstadt. „Ich wollte aber unbedingt, dass meine Tochter irgendwann turnt. Da blieb mir nicht viel anderes übrig, als selbst tätig zu werden“, erzählt sie.

Schwer zu kontrollieren

Beim MTV stieß sie auf offene Ohren, doch ihre Tour durch die Sporthallen der Stadt brachte Ernüchterung. Die Geräte veraltet, verrostet oder schlicht unbrauchbar. Der Traum bereits ausgeträumt? „Nein, denn das Mariengymnasium wollte zu dem Zeitpunkt einen Sportleistungskurs einführen. Und da gehört das Gerätturnen dazu. Da bin ich an das MG herangetreten. Im Gespräch hat sich dann vieles ergeben.“ Zusammen mit dem Landkreis Friesland, dem MTV Jever, bei dem der damalige Geschäftsführer Jan Unger einiges in Bewegung setzte, sowie einigen Förderern wurde es ein Gemeinschaftsprojekt. Neue Geräte wurden angeschafft, Jeanette Weigart startete mit einer AG in der Mittagszeit – und wurde dann schwanger. „Sonst wäre alles noch schneller gegangen“, erklärt sie die Entwicklung, die plötzlich rasant und im positiven Sinne schwer zu kontrollieren wurde.

Viele werden vertröstet

Weigart zog ein Jahr später die Turngruppen, die über die Turnhallen in Jever verteilt waren in der Sporthalle des MG zusammen. „Wir sind mit einem Stamm von zehn bis 20 Kindern gestartet.“ Es kamen die ersten Wettkämpfe. „Und plötzlich hat jeder eine Freundin mitgebracht.“ Ab 2014 stiegen die Mitgliederzahlen im Gerätturnen stark an. Nur vier Jahre später gibt es wieder 280 Gerätturner in Jever. „Auch bei den Jungen fängt es an zu boomen“, sagt Weigart. Dass eine solche Entwicklung auch Probleme mit sich bringt, liegt auf der Hand. Mittlerweile gibt es nämlich einen Aufnahmestopp. „Wir mussten Wartelisten einführen. Ich muss viele Kinder vertrösten“, erzählt Weigart, „die Nachfrage ist gewaltig.“ Die Bemühungen einiger Eltern, ihr Kind doch beim Gerätturnen unterzubringen, schlägt mittlerweile schon skurrile Blüten. „Ich bekomme sogar Bewerbungsvideos auf mein Handy“, erzählt Weigart. Eltern zeigen, was ihre Kinder schon alles können mit der Bitte, doch einmal vorbeischauen zu dürfen. Schnupperangebote gibt es allerdings nicht mehr. Es scheitert an den personellen Möglichkeiten.

Ein Traum bleibt

Hallenzeiten gibt es genug, aber „ich brauche Eltern, die Lust haben. Fachlich kann man alles lernen, das ist gar nicht so schwierig. Die Kinder freuen sich ja, wenn die Eltern dabei sind“, sagt sie. Eine Helfertruppe, die beim Aufbauen der Geräte anpackt – hier geht mit Auf- und Abbau immer etwa eine Stunde Übungszeit verloren – gibt es, ebenso ein Team für die Cafeteria bei Wettkämpfen. „Eigentlich brauche ich eine leere Halle, in der immer alles aufgebaut ist“, sagt Weigart. Dass das wohl eher ein Traum bleiben wird, das weiß sie natürlich auch. Ein paar Erwachsene, die sich mit Gerätturnen beschäftigen und helfen wollen, stehen ohnehin eher auf ihrer Weihnachtswunschliste.

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