Viele schöne Feste im „Erbgroßherzog“ gefeiert

Zentrale Lage und Charme zeichneten die ehemalige Gaststätte aus. Vielseitige Nutzung.
VON HELMUT BATH
JEVER – Die Kombination einer Gaststätte mit einem kleinen Saal an zentraler Stelle besaß einen gewissen Charme: Alter Markt 17 neben dem als ehemaliges Kino bekannten Concerthaus. Dort existierte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg die Gaststätte „Erbgroßherzog“, „Erb“ genannt. Bis Ende 1963 diente dieses Lokal auch dem MTV Jever als Vereinslokal. Der gerne genutzte rückwärtige Eingang ( VonThünen-Ufer 19) galt auch für das Auktionatorenbüro Erich Albers & Fink sowie Facharztpraxen.
Das Gastwirtsehepaar Karl und Frieda Köhler, das etwa ab 1932/33 rund 25 Jahre lang im „Erb“ Regie führte, war beliebt. „Karl war herzensgut und ein Supertyp“, weiß MTVEhrenvorsitzender Herbert Behrends (89). Seine Schwester Käthe Behrends war dort während des Krieges bis 1946 als Köchin beschäftigt. Die Küche war im 1. Geschoss. Die Speisen gelangten über einen Aufzug in das Erdgeschoss, in dem ein Gang die zum Alten Markt gelegene Gaststätte mit dem am VonThünen-Ufer befindlichen kleinen Saal verband.
„Viele schöne Feste sind dort gefeiert worden“, weiß Annemarie Weyerts (85), geb. Fuchs, „darunter 1952 auch meine Hochzeit mit Benno Weyerts († 1978).“ Frieda Köhler war ihre Tante. Nachbar Richard Janßen, „Kino-Janßen“ vom Lichtspielhaus genannt, habe mit der von ihm gestalteten, fantastischen und oft witzigen Dekoration viel zur Heiterkeit beigetragen. Lichtspielhaus und „Erb“ waren ein gemeinsames Gebäude : Alter Markt 16. Drei hohe Flügeltüren verbanden großen Kinound kleinen „Erb“-Saal. Es konnte gleichzeitig in beiden Häusern getanzt werden – bis zum Umbau nach dem Krieg.
„Auch Silvester war dort immer viel los“, erinnert Annemarie – „Annemie“ genannt – Weyerts (85) sich. „Zwischen 80 und 100 Leute vergnügten sich dann dort“, schwärmt Herbert Behrends, „und haben nach der Musik der Kapelle ,Herz 9’ getanzt.“

Vorübergehend gesperrt

Nach dem Krieg sei der „Erb“ kurz von der Militärregierung gesperrt worden, weil es dort Veranstaltungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gegeben hatte, berichtete Behrends. Gemäß Militärregierung habe sich der MTV vorübergehend TV genannt. Bei der Wiedergründung im November 1945 sei Dr. Otto Genters zum 1. Vorsitzenden gewählt worden.
Vorübergehend sei der „Erb“ auch das Domizil der Fußballer gewesen, kramte Behrends in seinen Erinnerungen. Dazu gehörten auch Lilli Offermanns Tanzkurse. Anfang der 50er Jahre hätten die Einheimischen dort ihre Silvesterbälle gefeiert, während sich die Besatzungsmächte im „Schützenhof“ und „Bahnhofshalle“ (später „Deutsches Haus“, jetzt Tanzsportclub-Vereinsheim) vergnügten. Im Schankraum war für gut 50 Personen Platz.

Dänisches Bier

Weitere Räumlichkeiten wurden für allerlei Zwecke genutzt, während die Gastronomie eine Renaissance erlebte. Ende der 90er Jahre wurden in der „Tuborg-Krone“ dänisches Bier und Speisen serviert, doch nach kurzem Gastspiel war für die Dänen Hopfen und Malz verloren. Bankgeschäfte und Schuhe ziehen dort nun Kunden an.

Zwei Eingänge

„Wir hatten mit Alter Markt 17 und Von-Thünen-Ufer 19 zwei Eingänge und damit zwei Adressen“, fällt Dipl.-Immobilienwirtin Birgit Walter spontan ein, „doch nun gibt es den Zugang von der Ortsdurchfahrt nicht mehr.“ Birgit Walter war von 1976 bis 1985 bei Erich Albers & Fink beschäftigt. Die Doppel-Anschrift sei Hans-Erich Arends zu verdanken, der Mitte der 50er Jahre Inhaber von Albers & Fink wurde, weiß mit Gerd Haack (70), jetzt Landstuhl, ein Enkelkind des früheren Gastwirts-Ehepaares Köhler. Birgit Walter hat noch Ende der 70er Jahre Auktionen miterlebt, zuletzt die Versteigerung des Inventars der Gaststätte „Blumenkohl“ in Jever, Schützenhofstraße 90. Die Immobilie zwischen Von-Thünen-Ufer und Altem Markt war nach Walters Beobachtungen auch bei Obdachlosen bevorzugt, die im beide Häuserfronten verbindenden Durchgang übernachteten.
1985 endete die Geschichte des vor rund 100 Jahren von Erich Albers und Anton Fink gegründeten Büros durch den Tod des letzten Inhabers Hans-Erich Arends (*1. 11. 1929 23. 11. 1985) und wurde 1986 von der Volksbank als Tochterfirma übernommen.

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